
APRIL
Im April verspürte ich starken Nachholbedarf an Menschenkontakt. Die spärlichen Familienbesuche während der C-Jahre waren mir nicht genug. Ich wollte zu lauter Musik tanzen, Menschen beobachten und für ein paar Stunden die Gesamtsituation vergessen. So stürzte ich mich in Münchens Partyszene mit aussergewöhnlichen Berührungspunkten. FOMO nennt man das wohl in Jugendsprech. Eine besondere Begegnung entwickelte bemerkenswerte Eigendynamik. Ich bekam sozusagen das, was ich mir gewünscht hatte und war durchaus überrascht, wie schnell sich meine Wünsche auch in den folgenden Monaten materialisierten. Sehr praktisch war das vor allem bei Terminüberschneidungen im beruflichen Kontext mit Privatplänen – in der Vergangenheit immer mit viel Kopfzerbrechen verbunden – die sich ohne mein Zutun in meinem Sinne auflösten. Ich begann, dem Zufall zu vertrauen. Ein angenehmes Gefühl für jemand wie mich, die ansonsten gerne die Kontrolle über Unkontrollierbares hätte.
Die Kirschblüte setzte im April leider viel zu früh für ein. Es war insgesamt warm und sonnig. Die Besuchsfreundin musste ich deswegen mit Bildern abspeisen.

MAI
Seit wir uns kennen, wohnte die Freundin in Kapstadt. Als ich im Dezember dort verweilte, war sie nach Amsterdam gezogen. Schlechtes Timing aber immerhin die Möglichkeit, uns zukünftig öfter in natura zu sehen. Im Mai war sie bei mir. Natürlich zeigte ich ihr ein paar Sehenswürdigkeiten. Während sie auf das mittäglich einsetzende Glockenspiel am Rathaus wartete, beobachtete ich weitere Touristen und Taschendiebe.
Am Bahnhof hatte ich eine ungewöhnliche Begegnung, die mich die Auswirkungen des Ukrainekrieges spüren ließen. Bis dato hatte ich davon zwar viel gelesen aber in unserer Stadt wenig beobachtet.
Und dann erwischte mich trotz meiner drei Impfungen und konsequentem Maskentragen im Flug und Öffentlichen das böse C.

JUNI
Der Virus hat mich ganz schön flachgelegt. Da ich über Tage mit hohem Fieber, Kopfnebel und immer neuen Symptomen zu kämpfen hatte, war ich über die zahlreiche Unterstützung aus dem Internet sehr froh. Besonders Frau Novemberregen befindet sich fortan auf meiner Segensliste, weil sie mir ohne großes Aufheben ein Fieberthermometer zukommen ließ. Vielleicht kann ich mich ja irgendwann dafür revanchieren. Falls nicht, übernimmt bestimmt Karma diese Aufgabe.
Mit frischen Antikörpern ausgestattet verreiste ich Ende des Monats mit Frau Herzbruch & Sohn. Schon die Anreise geschah unter schwierigen Bedingungen. Frau Herzbruch twitterte in Echtzeit – in Fachkreisen heißt das emotional support. Schließlich erreichte ich einen Tag später ohne Koffer, dafür aber mit neuer Garderobe das Meer. Dann waren wir Schnuppertauchen, dann erst ich psychisch unpässlich, dann sie körperlich krank, dann der Sohn ein bisschen gelangweilt. Insgesamt hat’s uns im Club aber gut gefallen, das Essen war super, das Wetter meistens schön – nur abends empfindlich kühl, weshalb wir uns einig waren, dass das ideale Urlaubsziel im Juni oder Oktober dann doch weiter südlich liegen müsse. Und die fortwährende Nahrungsaufnahme muss für den wachsenden Teenager unbedingt gesichert sein. Zudem braucht’s einen Koffer, den ich aber durch das allgemeine Flughafenchaos erst im Juli wieder zu Gesicht bekam.