Travelling without moving (1)

Als Angestellte einer Fluggesellschaft bekomme ich zum Dienstjubiläum einen Freiflug geschenkt. Das ist einerseits toll, andererseits versetzt mich die Aussicht auf dieses zeitlich limitierte Ereignis schon seit ein paar Jahren in Aufregung, denn erstens wusste ich lange überhaupt nicht wohin und vor allem mit wem ich verreisen sollte und zweitens verschwendet man so ein Geschenk nicht an einen Kurztrip um die Ecke oder lässt es gar verfallen, jedenfalls nicht, wenn man wie ich eine schwäbische Sozialisation genossen hat. Und so beschloss ich, mich in absehbarer Zeit mit meiner Mutter auf den Weg nach Namibia zu begeben. Den Plan umzusetzen, ist jedoch nicht so einfach wie gedacht.

Zunächst einmal war da die Frage, ob wir uns nach zwei Tagen nicht bereits auf die Nerven und nach sieben an die Gurgel gehen würden. Meine Therapeutin bot mir an, mich einweisen zu lassen, nachdem ich meinte, ich bräuchte möglicherweise nach diesem Urlaub ganz viele Sitzungen. Solche Vorschläge haut die einfach trocken raus, wofür ich sie wiederum sehr mag. Natürlich habe ich mir unglaublich viele Gedanken gemacht, ob das gut gehen kann, bevor ich meine Mutter fragte. In meinem Kopf fand ich, dass es das aus einem einfachen Grund könne. Wir sind nicht gut darin, uns einander emotional zu nähern. Unzählige Versuche endeten in Enttäuschung. Da ich aber meine Mutter weder ändern kann noch möchte, baue ich durch eine gemeinsame Aktivität den Puffer ein, der uns wiederum eint. So funktionieren psychologisch übrigens auch so alltägliche Mechanismen wie gemeinsames Lästern und Klagen über nicht Anwesende oder als unfair erlebte Umstände. Und da in unserer Familie das Reisen einen besonderen Stellenwert hat, schaffen wir so neue Erinnerungen, über die wir uns die bleibenden Jahre gemeinsam finden können. Ausserdem kann meine Mutter sehr gut fotografieren und archivieren. Für mich bliebe halt der Rest zu organisieren. Als ich ihr meinen Plan am Telefon unterbreitete, sagte sie nein und ich okay.

An dieser Stelle folgt der Auftritt eines kleinen Spielzeuges, das ich in einem Nürnberger Designmuseumsshop entdeckte und meiner Mutter zum Mütterbeschenkungstag schickte. Der Hoptimist – bitte suchen Sie dieses von Gustav Ehrenreich entworfene Ding selbständig im Netz – hätte nach Befragen um die übertriebenen Reisepläne exaltiert gewackelt und vielleicht sei das dann eben ihr letztes großes Abenteuer, ließ sie mich in einer Nachricht am nächsten Tag ganz untypisch wissen. Seitdem herrscht in mir große Aufregung, denn so eine Reise will gut geplant und offenbar auch teuer bezahlt werden. So leise macht sich in mir auch Vorfreude breit – ein Gefühl, das ich lange nicht mehr spürte.

1 Gedanke zu „Travelling without moving (1)“

  1. Die Vorfreue freut mich sehr – ich hoffe, sie überfordert dich nicht. (ZWINKERSMILEY)
    Und ich drücke die Daumen, dass die Unternehmung im allerbesten Sinn bereichernd für dich wird. Und für die Frau Mamá.

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