Da war dann noch die Sache mit dem Rückflug aus Düsseldorf, den ich fast verpasst hätte. Eigentlich hatte ich nach dem Kunstpalast viel Zeit und wollte die nicht unnütz am Flughafen herumsitzen. Also lief ich von dort zur Kunstakademie. Leider kann man die als Aussenstehende nicht besichtigen, weil laut Pförtner so viel wegkäme und sich so viel Gesindel herumtreibe. Dann führte mich mein Weg in die Innenstadt, eine Kirche anschauen und schließlich mit der U-Bahn wenigstens das Gebäude der Kunstsammlung 21 und der spektakulären Kuppel anschauen. Gerade als der Starkregen einsetzte, ließ ich mich in den Knautschsessel im Foyer nieder. Ich hatte ja noch so viel Zeit. Irgendwann erreichte mich eine Nachricht, mein Flug sei etwa 30 Minuten verspätet. War mir recht, so konnte ich den Regen abwarten und mich dann in Ruhe auf den Weg zum Flughafen machen.
Diese technischen Neuerungen sind so eine Sache, denn wenn man sich auf die blind verlässt, passiert garantiert was Unvorhergesehenes. So musste ich feststellen, dass die App keine Abfahrtszeiten aktualisiert und meine anvisierte Verbindung bereits in der Vergangenheit lag. Aber ich hatte ja noch genügend Zeit. Ich nahm einfach die vorgeschlagene und hoffte auf eine schnelle Frequenz der Zubringer zum Flughafen. Auf dem S-Bahnsteig wurden in wildem Wechsel diverse Züge in Laufschrift hintereinander angekündigt. Ich wartete auf die S11, wobei die S6 hier auch irgendwann vorbeikommen sollte. Die Zeit verging und nach etwa 30 Minuten kam dann die erwartete S11. Als ich einstieg, hatte ich noch ein seltsames Gefühl, das sich am zweiten Stop bestätigte. Ich fuhr in die falsche Richtung, nämlich nach Bergisch Gladbach. Dieser Ort war bei meiner Ankunft im Kopf abgespeichert worden, denn da war’s die korrekte Richtung. Und als ich ausstieg, merkte ich, dass ich überhaupt nicht mehr so viel Zeit hatte, denn die nächste S11 sollte erst in 20 Minuten kommen. Ich stieg also in den ersten Zug in die Gegenrichtung ein und ließ mich von Ona Herzbruch zurückdirigieren, der das viel besser als jede App tat.
Am Hauptbahnhof gab es sehr viele Gleise, was ich aber erst bemerkte, als ich dort ausstieg. Immerhin hatte ich jetzt die Chance auf eine weitere S Bahn, nämlich die S1. Und dann tat ich etwas, das ich mir geschworen hatte niemals zu tun, weil es in Insiderkreisen verpöhnt ist. Ich sprach einen Kollegen in Fluguniform an. Dieser Kollege verwies mich per App auf eine verspätete S6 oder halt eine S1 auf einem anderen Gleis und wünschte mir dann alles Gute, bevor er die Kopfhörer wieder in die Ohren steckte. Am liebsten hätte ich mich ja an ihn drangehängt, wusste aber nicht, ob er sich auf dem Heimweg oder zum Dienst befand. Und ja, auch ich stehe gelegentlich in Uniform wartend auf einem Bahnsteig und möchte eigentlich dort auf keinen Fall angesprochen werden und reagiere dann trotzdem freundlich aber beende die Hilfestellung danach auch konsequent mithilfe von Kopfhörern. So wirkt das also auf Aussenstehende, die nach einer Frage gerne mal mit Smalltalk weitermachen, während ich vor und nach dem Dienst einfach nicht reden möchte. Irgendwann kam die richtige Bahn, während mein Zeitvorsprung merklich schmolz. Da die Abflugzeit aber auch nach hinten wanderte, dachte ich mir nichts, obwohl die Bahn auf Strecke nochmals wartete.
Am Flughafen angekommen hatte ich nicht mehr wirklich viel Zeit. Die verbrachte ich beim Sicherheitspersonal, die an diesem Tag jedes Handgepäcksstück ausführlich überprüften, während sich eine Traube von etwa 15 Wartenden dahinter bildete. Nach 25 Minuten – ich habe extra die Zeit gemessen – hetzte ich mit meiner Tasche zum Abfluggate, wo man mir mitteilte, dass der Flug inzwischen weitere 30 Minuten verspätet war. Die Wartezeit wollte ich mit einem Toilettengang nutzen, doch die nächste normale Toilette hatte ebenfalls eine geschätzte Wartezeit von 20 Minuten. Also ging ich zurück zum Busgate und nutzte das beginnende Boarding, wo bei Ankündigung sofort alle Gäste aufsprangen und an den Schalter drängten, für einen Gang auf die Behindertentoilette, die einzige Toilette in der Nähe. Der Türöffnungsschalter zeigte grünes Licht, doch als die Türe sich öffnete, gab sie den Blick auf einen stehend in die Toilette pinkelnden Mann frei. Da sich die breite Türe erst sehr zeitverzögert schloß, ergab sich ein merkwürdiges Schauspiel. Ein am Gate wartender, aufgeregter Menschenpulk beobachtete den gegenüber nervös pinkelnden Mann ohne Sichteinschränkung, da ich sofort zur Seite trat und mein Unterfangen vergaß.
Kurz vor 23.00 kam ich daheim an und erwischte den jungen Mann, der kürzlich unter mir eingezogen ist, beim Rauchen am Küchenfenster. Ich klingelte, um mich vorzustellen und einen Kompromiss auszuhandeln, denn wenn ich bei offenem Fenster schlafe, möchte ich nicht den Rauch in der Wohnung riechen. Wenn man aber bedenkt, dass ich jahrelang genau dasselbe getan habe, also am Fenster geraucht, ist es schon ein wenig lustig, dass ich mich jetzt darüber aufrege. Der junge Mann war dann auch sehr einsichtig, will aber wahrscheinlich einfach nicht jeden Abend um 23 Uhr mit der älteren Frau von oben diskutieren und wird zukünftig die letzte Zigarette vor der Türe rauchen. Als ich endlich im Bett war, konnte vor Aufregung nicht einschlafen. So war ich noch mit den Bildern und Eindrücken beschäftigt als die Uhr bereits 1.30 zeigte. Insgesamt war ich also viel länger als geplant am Rhein, wo es zwar schön ist aber nur, wenn man’s nicht eilig hat.