Fifty seven

Wissen Sie eigentlich, wie schwer es ist, in unserem Gesundheitssystem adäquate Hilfe zu bekommen? Zunächst mal ist unser System prima, denn es gewährleistet Zugang für jede Person, nicht nur für die, die es sich leisten können. Der Haken daran ist eine Verallgemeinerung ganz individueller Ausprägungen. Was meine ich damit? Die Diagnose C-PTSD gibt es offiziell eigentlich nicht. Meist behelfen sich Therapierende mit einer Annäherung über die Auswirkung Depression oder Angststörung. Wenn’s also ganz schlimm kommt, werden Tabletten verschrieben. In stationären Hilfseinrichtungen geht sowieso nix ohne Medikation. Therapierende spezialisieren sich nicht umsonst in diversen Fachrichtungen wie beispielsweise Traumatherapie. Die freien Therapieplätze werden aber in den großen Topf der krankenkassentauglichen Therapien geworfen und unter allen Hilfesuchenden ausgelost, unabhängig davon ob das spezielle Thema für die Klientel hilfreich ist oder nicht. So sind die Wartezeiten für jene lang, die sich bereits länger durch den Therapiedschungel kämpften und um spezifische Hilfestellung trachten.

Therapie ist Therapie, das kann ja nicht so schwer sein oder? Am Beispiel Medikation kann ich inzwischen aus eigener Erfahrung behaupten, es IST schwer. Eine Fachfrau meinte in einem ersten Orientierungsgespräch, die Unverträglichkeit selbst leichter Psychopharmaka sei typisch für Traumabetroffene, denn der damit einhergehende Kontrollverlust sei kontraindizierend zum Heilungsprozess. Und genau diese Aussage steht den Situationen gegenüber, die ich in der Vergangenheit bei Hilfsstellen darauf verwies und nicht für voll genommen wurde. Von „dann kann’s ja nicht so schlimm sein“ bis „stationäre Aufnahme ohne Medikation? Dann gehen Sie halt in ein Hotel“ war alles dabei. Dabei würde ich sehr gerne mal wieder die Kontrolle abgeben, schlafen oder einfach nur zur Ruhe kommen. Mein Organismus arbeitet 24/7 cortisolbasiert auf Hochtouren. Ein Hamsterrad, aus dem ich nicht selbständig aussteigen kann, weil der Absturz nach dem Aufwachen schlimmer ist als die Hypervigilanz weiter aufrechtzuerhalten. Ich bin ratlos und am Ende des abgearbeiteten Systems angelangt.

Aber Körper und Seele besitzen doch Selbstheilungskräfte oder? Ja und nein, denn wer verstanden hat wie Trauma funktioniert, der weiß auch, dass manche Schutzmechanismen nur für kurze Zeit funktionieren und auf Dauer eher schädlich sind. Man könnte meinen, bei einer durchschnittlichen Schlafdauer von drei Stunden pro Nacht über einige Wochen, schliefe der Körper irgendwann einfach aus Erschöpfung. Aus Erfahrung kann ich behaupten, dem ist nicht so, denn wer lange genug im Hamsterrad lebte, gewöhnt sich einfach an das hohe Stresshormonlevel. Und eines Tages brennt’s einfach an anderer Stelle durch. Irgendwann funktionieren Organe feherhaft. Aber hey, wenigstens gibt es dafür dann eine ordentliche Diagnose, Tabletten und psychosomatische Auffangstationen. Dann arbeitet das System vielleicht für mich, damit ich baldmöglichst wieder erwerbsfähig bin. Meine Hoffnung aber ist, es wird anders (weiter-)gehen.

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