What A Feeling

Der Film Flashdance kam raus, da war ich ungefähr 14 und sehr tanzbegeistert. Eigentlich wollte ich ja immer Ballett tanzen, doch meine Bitten verhallten ungehört im Angesicht unserer finanziellen Möglichkeiten. Das Instrument, das ich bereits einige Jahre erlernte, wollte ich dafür nicht opfern. So blieb mir nicht mehr als die wöchentliche Ausstrahlung der Breakdancelektionen im dritten Regionalprogramm und ab und an eben ein Tanzfilm. Tanzunterricht war immer schon teuer. Natürlich ist es mit ein paar Lektionen nicht getan. Man braucht regelmäßiges Training, und die entsprechende Kleidung – vor allem wirklich gute Schuhe – ist auch heute noch teuer. Das ist einer der Gründe, wieso professionell Tanzende ihre wenigen Mittel lieber in Trainingsstunden als Kleidung investieren. In Folge wird diese Kleidung so lange getragen, gestopft und anderweitig repariert, bis sie sprichwörtlich in Streifen vom Körper fällt.

Ein anderer Grund für schadhafte Kleidung ist der Coolnessfaktor. Hier kommt nun besagter Film zum Tragen. Alex, eine tanzbegeisterte Schweißerin, möchte ihre Fertigkeiten in einer renommierten Tanzschule verfeinern, muss dafür aber eine Aufnahmeprüfung ablegen. Vor der Prüfung umwickelt sie ihre Füße mit Tape, um besser drehen zu können. Schuhe kann sie sich nicht leisten. Ihr Alltagspullover ist unten grob gekürzt und am Ausschnitt so zugeschnitten, dass er lässig über eine Schulter fällt. Wer sich an das Kinoplakat erinnert, weiß wie das aussieht. Damals habe ich eines meiner Lieblingssweatshirts so lange mit der Schere bearbeitet, bis sich die Enden von selbst ausfransten und der Ausschnitt nach aussen rollte. Meine Mutter wollte es im Anschluss entsorgen. Ich konnte das gute Teil gerade noch rechtzeitig vor der Tonne retten. Heutzutage wird für derartige Kleidung viel Geld hingelegt – ausgerissene Pullover, zerfetzte Jeans und ungebundene Schuhe. Ich bezweifle allerdings, dass sich die Kids noch an eine Zeit erinnern, in der man Kleidung selbst modifizierte.

Dass die Sachen weit sein müssen, geht auf ein gestörtes Körpergefühl vieler Tanzenden zurück. Nur wer sein halbes Leben vor einem Spiegel verbrachte und sich dermaßen kritisch mit Körperlinien auseinandersetzen muss, kann das nachvollziehen. Kaum eine Ballerina fühlt sich wohl in ihrer Haut. Also trägt sie Shirts und Jogginghosen im Schlabberlook. Da passen dann auch noch etwa drei Schichten drunter, die nach dem Aufwärmen peu à peu abgelegt werden. Der älteste Body ist die letzte Instanz. Der hat bereits viele Jahrzehnte und noch mehr Löcher auf dem Buckel, wird aber immer mit was drüber kaschiert. Ach und weil er bei so mancher Audition Glück brachte, darf er auch unter keinen Umständen in der Maschine gewaschen oder gar im Training vergessen werden. Andere schwören auf ein bestimmtes Schreibutensil oder verbringen viel Zeit auf der Suche nach dem idealen Küchenmesser. Wenn eine Tänzerin die idealen Schuhe oder das angenehmste Trikot irgendwann erneuern müsste, ist es mit Sicherheit im Handel nicht mehr erhältlich. Also trägt sie ihre Sachen auch wenn eine eindeutige Farbgebung oder eine bestimmte Form nicht mehr erkennbar ist. Und weil sie irgendwann unterrichtet, wird ihr Kleidungsstil von den eifrig Lernenden imitiert.

So hat Kleidung im Tanz eine viel größere Nachhaltigkeit als anderswo, denn was auf der Straße nicht mehr präsentabel, wird im Tanzsaal bis zur physischen Auflösung getragen. Andere haben dieses eine Fach im Schrank, in das Kleidung für Umzug, Renovierungs- oder Gartenarbeit wandert. Ich habe eines mit dem Memo ‚Trainingsklamotten‘. Der Inhalt wird aber – anders als bei den Kleidungsstücken für Schmutzarbeit – über viele Jahre gehütet wie ein Schatz.

Zum Ende noch ein kleines Instavideo einer wunderbaren Tänzerin (Mitte), die auch in diesem Look auftritt – er ist übrigens ihr Alleinstellungsmerkmal:

Haley Fitzgerald

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