Assessment

Vor einiger Zeit stellte ich mit Schrecken fest, dass mein heißgeliebtes Shampoo nicht mehr produziert wird. Als ich es damals fand, litt ich schon Jahre unter gereizter Kopfhaut. Der Effekt bei den herkömmlichen Pflegeprodukten war ein schlimmer Ausschlag bis hin zu nässendem Ekzem mit Schorfbildung. Man riet mir zu einem Anti-Pilz-Shampoo. Doch der Ausschlag ging davon nicht weg, da die Kopfhaut nicht zu fettig, sondern eher zu trocken war. Es fielen Begriffe wie seborrhoisch und Neurodermitis. Schließlich landete ich bei einem Produkt aus der Apotheke. Entsprechend teuer in der Anschaffung nutze ich es äusserst sparsam. So wurde ich erst einige Zeit nach Ende der Produktion aufmerksam und konnte mir keine letzte Reserve zulegen.

In meiner Stammapotheke arbeiten sehr kompetente Menschen, die ich zu diesem Dilemma befragte. Der erste Tipp war ein etwas preiswerteres Produkt, dessen Geruch – ich nahm Pfefferminze in Kombination mit Krankenhaus wahr – mich nach zwei Wochen jedoch erneut suchen ließ. Dieses Mal war es ein Mitarbeiter ohne Haupthaar, der mir beim Eintreten begegnete. Und da passierte in mir etwas, das ich am besten als bewusste Überwindung unreflektierter Vorurteile beschreiben kann. Mein Hirn verknüpfte nämlich automatisch was bei genauerer Betrachtung überhaupt nicht zusammen gehört: keine Haare, keine Ahnung. Wieso sollte aber ein körperliches Merkmal die Kompetenz einer Person beeinflussen? Fehlende Praxiserfahrung? Muss ein Drogenberater auch abhängig gewesen sein, um Abhängigen zu helfen? Die Expertin erkennt den ad-hominem-Fehlschluss.

Der Apothekenangestellte lauschte aufmerksam meiner Schilderung, studierte dann verschiedene Flaschenaufschriften und präsentierte schließlich ein geeignetes Shampoo, an dem ich sogar schnuppern durfte. Es stellte sich in den darauffolgenden Wochen als absoluter Glücksfall heraus. Was mir neben einem geeigneten Haarpflegeprodukt bleibt, ist die Erkenntnis, dass Vorurteile menschlich sind. Es kommt halt darauf an, sie mit Hilfe von Reflektion nicht zur Grundlage unseres Handelns zu machen. Denn das ist Diskriminierung, eine Quelle jeglicher Form von Unmenschlichkeit.

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