Da ein Museumsbesuch nicht für zweieinhalb Tage Aktivität reicht, habe ich selbstverständlich für die Freundin vorgeplant und an einem heißen Dienstagnachmittag gleich mal die aktuelle Ausstellung in der Hypokunsthalle getestet. Die Ausstellung Civilization ist nicht nur wegen der hervorragenden Raumkühlung, sondern vor allem wegen der vorwiegend großformatigen Fotokunst empfehlenswert. Erwartet hatte ich unter diesem Titel den erhobenen Zeigefinger, also das Anprangern von menschengemachtem Müll und Misere. Bekommen habe ich unglaublich inspirierende Aufnahmen, ideenreiche Fotokunst und wunderbar gekühlte Räume. Ich verrate nicht zuviel, wenn ich schreibe, dass ich mit der Freundin ein zweites Mal drin war. Bei erneuter Betrachtung fanden sich nicht nur übersehene Details, wie beispielsweise fototechnische Finessen, sondern auch Bilder, die erst bei längerer Betrachtung ihre Wirkung entfalten. Gleichzeitig ließ ich mich wie ein Ball vor der Welle einer Führungsmenge dahintreiben, denn die störten ein bisschen die sonstige Stille in den Säälen. Dabei geht’s ja genau um dieses Thema – der Umgang mit und die Beziehung zueinander in unserer Zivilisation. Große Empfehlung!

(Menschen während der rush hour in Tokyo – Name des Künstlers vergessen…)
Dann aßen wir eine Kleinigkeit in einem der Lichthöfe, bevor ein wenig Regen begann. Unser nächstes Ziel war die Ausstellung von Fotografien Lee Millers – vor allem durch den Film Lee von 2023 wiederentdeckt – im Amerikahaus. Dort hingen ihre Fotos an den Rand gedrängt, denn Hauptattraktion war an diesem Tag der neue Film Klimperclown von Helge Schneider. Im Rahmen des Filmfestes München war er auch selber anwesend, wurde gefragt, fotografiert und verschwand schließlich im großen Saal, wo er sich weiter auf der Bühne präsentierte. Mehr noch als die Ausstellung sei die Folge des Kunstpodcasts Augen zu empfohlen, den ich seit vorletztem Jahr gerne höre. Achtung: die alten Folgen sind inzwischen nur noch mit kostenpflichtigem Abo zugänglich, deshalb bald reinhören. Der Eintritt zur Ausstellung ist übrigens frei. Vom Karolinenplatz ging es weiter in Richtung Königsplatz, ein kleiner Abstecher ins Café der Glyptothek bis die Wolken dichter wurden. Da wir noch ein bisschen Kunst vor uns hatten, gingen wir in Richtung Pinakothek der Moderne, wo wir den einsetzenden Regenschauer unter dem Vordach in Strandstühlen gemütlich abwarteten. Auch hier ist die Architektur von Stephan Braunfels eine interessante Entdeckung, die dünnen Säulen des Vordaches ein Markenzeichen.
Die nächste Station war die Galerie Walter Storms in der Schellingstraße. Dass Günther Uecker – der Mann mit den Nägeln – Anfang Juni, genauer gesagt am 10. gestorben war, hatte ich nicht mitbekommen. Noch im Mai hörte ich fasziniert die Podcastfolge über ihn, da hatte er noch gelebt. In den Galerieräumen fanden sich nicht nur Skizzen und Bilder zum Bühnenbild für Lohengrin, sondern auch zwei Nagelskulpturen sowie Bilder von entstehenden Kunstwerken. Interessant auch die kleine Vitrine links vom Eingang, in der eine Eintrittskarte zu besagter Oper in Bayreuth 1979 und ein Programmheft mit Widmung lag. In meinem kleinen Fliegeralltag bin ich vielen Berühmtheiten begegnet, nur fehlt mir der Nachweis dafür. Kann es sein, dass es ohne Autogramm oder heutiges Selfie nie geschehen ist? Mir scheint der Kult um die Menschen immer etwas zweifelhaft, wo es eigentlich mehr um ihr Werk oder ihre Errungenschaften gehen sollte. Jedenfalls waren wir auch vom zweiten Regenschauer des Tages hier geschützt. Ein Unfall brachte uns im nicht um die Straßenecke manövrierbaren Bus weit weg vom ursprünglich gelegenen Ziel. Als wir schließlich die Haustüre erreichten, donnerte es und ein weiterer Regenschauer kühlte die Luft ab. So hatten wir als nicht nur viel Kunsteindrücke gesammelt, sondern uns ganz ohne Schirm durch den Tag manövriert. Insgesamt war alles so bereichernd und gleichzeitig sättigend, dass eine Nacht und ein Blogbeitrag nicht zur Verarbeitung reichen. Aber schauen Sie einfach selbst.

Ich mag die Hypokunsthalle sehr (obwohl ich aus beruflichen Gründen schlechte Erinnerungen an die Hypo habe). Das ist ein Museum ohne Arroganz, ohne erhobenen Zeigefinger (das Fehlen von Arroganz ist ja in München sowieso eher selten…).
Mir ist aus vergangenen Ausstellungen noch der Direktor Roger Diederen in Erinnerung, der bei Eröffnungen stets unprätentiöse Worte fand.