Out of Africa

So langsam gehen mir die Songtitel aus; ich greife hier deswegen mal auf einen Filmtitel zurück.

Als westlich geprägte Beobachterin fallen mir viele Verhaltensweisen in Afrika auf, die ich anderswo völlig gegenteilig einordnen würde. Der rurale Ostafrikaner mag beispielsweise die Berührung. Anscheinend ist privater Raum dort viel kleiner. Beim Anstehen höre ich die Person hinter mir atmen, an der Kasse legt der Nächste bereits das Geld auf den Tresen, während ich meines noch nicht mal rausgekramt habe. Das bedeutet nicht, dass ich eingeladen bin, so viel habe ich aus Gestik und Tonfall entnehmen können, als ich einen Griff danach andeutete. Der Trick bei uns – beispielsweise in vollen Bussen und Zügen – ist ein ausweichender Blick. In Afrika sieht man sich auch bei kurzer Distanz in die Augen, lächelt und grüßt prophylaktisch. Auf den schmalen Bürgersteigen, die durchaus auch von Mopeds genutzt werden, streifen Arme beim Passieren aneinander. So viele Fußgänger gibt es auch nicht in der Stadt, denn der gemeine Afrikaner fährt lieber. Wenn gelaufen wird, dann sehr langsam. Man flaniert quasi zum Einkaufen oder den nächsten Bushalt. Beginnt es zu regnen, wird nicht die Geschwindigkeit erhöht, sondern nur die Route geändert. Die Bäume schützen vor den Tropfen, ein Schirm wäre aber bei der Dichte an sich auf vielfältige Weise bewegende Menschen quasi Verkehrsbehinderung.

Supermärkte gibt es viele, noch mehr finden sich aber Geldwechselbüros an der einzigen Hauptstraße Kigalis. Mit meinem westlichen Misstrauen wartete ich eine ganze Weile in der einzigen öffentlichen Bank, nur um dann an eines dieser Büros verwiesen zu werden, weil das System an dem Tag nicht funktionierte. Für das Wechseln von kleinen Dollarscheinen, nimmt man eine Gebühr, die dem örtlichen Tageslohn eines Handwerkers entspricht. Der Vorgang des Umtausches geht sehr schnell über die Bühne. Als ich aber eine Quittung verlange, werden mein Pass kopiert, meine Telefonnummer und sonstige Informationen umständlich notiert und dann bekomme ich noch ein bisschen mehr Lokalwährung. Ich schätze, auch hier ist Zeit Geld.

Am Obststand winkt mich eine Verkäuferin herbei und bezeichnet mich als big mama, obwohl ich beides nicht bin. Das lässt mich vermuten, eine sogenannte Big Mama ist Ausdruck für Wohlstand und Ehre, möchte diese Anrede aber sicherheitshalber nicht auf einem meiner nächsten Flüge verwenden. Interkulturelle Kommunikation birgt so viel Anlass zu Missverständnissen. Überhaupt wird viel mit Zischlauten auf sich aufmerksam gemacht. Gute Führungskräfte warnen die Crew vor einem Afrikaumlauf, ein Ksskss und den Griff nach dem Arm – oder was von der Uniform sonst zu erwischen ist – nicht als Belästigung zu verstehen. Auch Hupen ist nicht als Ausdruck von Ärger gemeint. Was auf unseren Straßen eine konvertierte Schimpftirade, ist hier Warnung, Begrüßung oder einfach nur Ausdruck von Lebensfreude. Ein Motorradfahrer hupt statt zu blinken, wenn die Spur gewechselt oder abgebogen wird. Frauen fahren übrigens fast immer hinten mit. Unfälle habe ich bisher noch keine gesehen; das System scheint zu funktionieren.

Wer reist, für den ist ein abrupter Klimawechsel das kleinste Problem. Auch Zeitumstellung ist etwas, an das sich der Organismus ohne viel Zutun anpasst. Nicht so die kulturellen Unterschiede, von denen wir alle unbewusst geprägt sind. Reisen stellt die sonst als selbstverständlich erklärte Normalität auf den Kopf. Nur wer dem Neuen bewusst offen begegnet, wird sich in fremden Welten zurecht finden. Das meinte schon Tucholsky, mit der Bemerkung, man frage sich in einem fremden Land, ob schon ein Deutscher vor einem dagewesen sei. Das Zitat ist vermutlich gar nicht von Tucholsky, ich stehe Zitaten aber insgesamt offen gegenüber. Ergebnisoffen.

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