Animals

Wie arrogant es für die klingen muss, die Orte mit einem once in a lifetime Erlebnis verbinden, während ich sie bereits so oft angeflogen bin, dass mir der Gedanke nur noch ein müdes Lächeln entlockt. Weil aber Alles und Jedes nur im Kontext der Gewohnheit, dem Auge des Betrachtenden, nachvollziehbar wird, erzähle ich heute, abseitig vom persönlichen Elend und hierin ja dann in Anbetracht der vergangenen Monate ebenfalls ungewohnt, über einen Besuch im Zoo von Shanghai. Denn was in Deutschland einmalig, ist in China so ungewöhnlich nicht. Meine Recherche ergab, ich könne hier die Großen Pandas sehen. Man möge es mir verzeihen aber der Aufwand, dafür nach Berlin zu reisen, ist für mich unverhältnismäßig höher als den Programmpunkt mal eben an einem Nachmittag in Shanghai abzuhaken. Sollten Sie tatsächlich irgendwann in dieser Stadt weilen, dann rate ich Ihnen von diesem Vorhaben allerdings ab. Schauen Sie sich in Shanghai am Bund und auf den Märkten um, im alten Stadtviertel oder in den Vororten. Wenn Sie unbedingt Pandas sehen wollen, dann reisen Sie lieber nach Berlin, die Stadt, die allemal eine Reise wert ist. Sie werden dort mehr davon sehen als im Heimatland der schwarz-weißen Gesellen. Warum das so ist, erzähle ich Ihnen gleich und noch ein paar andere Begebenheiten.

Der Zoo in Shanghai ist zuallererst ein Kinderparadies und weniger eines für Tiere, auch wenn man sich von offizieller Seite für die tierfreundliche Haltung rühmt. Viele Gehege grenzen an riesige Straßenkreuzungen, von denen der tägliche Verkehrslärm in armseliges Freigelände herüberschwappt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich Steppentiere im Laufe ihres Lebens daran gewöhnen, wenn ich bereits nach einigen Minuten genervt flüchte. Because I can. Dabei haben die noch Glück. Vor dem Affenkäfigen beispielsweise ist von 10 bis 18 Uhr eine Achterbahn in Betrieb, die johlende Kinder in laut ratternden Wagons durch die Kurven schüttelt, und scheue Rehe zeigen sich unbeeindruckt vom Lärm der Autoscooter. Die erste Sorte Lärm, die mich zunächst erschreckt zur Seite springen und später aggressiv werden lässt, ist die Hupe der fußlahme Besucher transportierenden Elektrogefährte. Die wollen nämlich alle, wie ich, ohne Umwege zu den großen Pandas. Im Gegensatz zu Ihnen sehe ich auf meinem Weg Mandarinenten, Flamingos und einige andere Tiere, zudem auf einer weitläufigen Wiese campende Familien. Ein Besuch im Zoo ist ein Familienereignis, man hält Picknick auf den Rasenflächen oder ein Nickerchen im Schutz eines simplen Zeltes.

Auch im Pandahaus ist es laut, sehr sogar. Die vielen Stimmen werden durch den Hall unangenehm verstärkt. Menschenmassen kleben vor den großen Scheiben, durch die zwei Pandas zu sehen sind. Zunächst sehe ich sie nur über die vielen hochgehaltenen Handydisplays. Ich bin nicht besonders groß, doch meist etwas größer als die durchschnittlichen Asienbewohnenden. Von hinten schubsen und drängen sich Kinder nach vorne. Ha, das kann ich auch. Und dann sehe ich den bambuskauenden Panda, unbeeindruckt von an die Scheibe trommelnden Kinderhänden. Er scheint mir größer als ich ihn von Tierfilmen in Erinnerung habe. Tatsächlich werden Pandas so groß wie Menschen. In den geschätzten zehn Minuten, die ich vor der Scheibe ausharre, tut der gemütliche Geselle nichts anderes als kauen. Dann werde ich weitergewunken. Ich weiß nicht, was ich insgeheim erwartet habe aber sicher etwas anderes als dieses seltsame Jahrmarktgewühl.

Als ich die apathische Gorillagruppe in ihrer Behausung sehe, weiß ich, wieso mich dieser Zoobesuch traurig macht. Noch vor ein paar Monaten habe ich einen der Silberrücken in Armlänge Entfernung vor mir sitzend beobachten können. In diesem Moment fühlte ich Ehrfurcht und Respekt vor dem Tier, das sich in seiner natürlichen Habitat bewegte. Ich war der Eindringling, der jeden Moment hätte angegriffen werden können. Die Trennscheibe im Zoo senkt jede Hemmschwelle. Da wird an die Scheiben geklopf und seltsames Gebahren und Rufen soll dem Tier eine Reaktion entlocken. Ich erinnere mich an ein Zoovideo, bei dem die Leute mit dem Schrecken davonkommen. Immerhin sind uns diese Tiere auch in Gefangenschaft noch überlegen und verdienen gebührenden Respekt. In diesem Moment fallen mir sehr viele Beispiele menschlichen Überlegenheitverhaltens ein und wie schnell sich sowas wenden kann. Am Ende des Tages ist halt alles eine Frage der Perspektive. Und der Gewohnheit.

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