Come Undone

Unzählige Male begonnen, dann wieder aufgegeben, so war das die letzten Wochen und Monate mit dem Bloggen. Dabei hätte ich es so gerne aufgeschrieiben, meine Gedanken und Gefühle formuliert, um sie greifbar zu machen. Denn wenn etwas greifbar ist, kann man damit umgehen. So der Plan. Doch mein Innenleben lässt sich schwer in Worten abbilden, die Absätze zusammenhangslos, nicht nachvollziehbar und damit auch für mich wertlos. So ist das halt mit dem Schreiben: je öfter man es tut umso besser funktioniert es und umgekehrt. Ich tappe immer noch im Dunklen – wortwörtlich – schreibe und lösche. Meine Wahrnehmung läuft nicht stringent linear, sondern eher vertikal wie eine Partitur, in der vieles gleichzeitig passiert.

Vor etwa vier Monaten habe ich meinem Kopf die Autonomie entzogen. Alles beginnt mit einem dunklen Gedanken, aus dem entsteht ein Konstrukt und am Ende möchte man nicht mehr aufstehen. Jede Gedankenabfolge führte bei mir zur Sinnlosigkeit meiner Existenz. Dieser irre Kampf, den wir jeden Tag gegen die Vergänglichkeit führen, dieser wahnsinnige Kraftakt, um nicht von ihr verschlungen zu werden. Und wenn ich das jeden Tag mehrfach abspule, hat es denselben Effekt als ob ich eine Murmelbahn durch meine Hirnwindungen baue. Irgendwann rollen die Murmeln automatisch ab und der Prozess hat sich verselbständigt. An dem Punkt wächst die Anziehungskraft von Bahnsteigkanten. Also musste ich den Odysseus geben und mich innerlich an einen Mast binden.

Das adäquate Mittel schien mir, meinem Innenleben nur noch wenig Beachtung zu schenken und folglich davon nicht mehr zu berichten. Musste ich auch nicht, denn zeitgleich hörte die Frage nach meiner Befindlichkeit auf. Womöglich gibt es nur wenige Menschen, die dunkle Stimmung aushalten, ohne darin eine Handlungsaufforderung zu sehen. Das ist wie die Fähigkeit, Pausen aushalten zu können. Keine Lückenfüller als Ausweichmanöver vor der eigenen Befangenheit. Irgendwo las ich, dass Depressiven urteilsfreies Zuhören mehr hilft als gutgemeinte Ratschläge. Meistens hört mit den Ratschlägen aber leider auch das Zuhören auf. Bei mir gab es nichts mehr, worüber ich mich austauschen wollte. Nur ein bisschen wahrgenommen wollte ich noch werden. Damit ich nicht zu existieren aufhöre.

Wenn ich jetzt behaupte, ab diesem Moment sei alles besser geworden, wäre das eine schamlose Lüge. Es hat sich verändert, erst unmerklich, dann ein bisschen erkennbarer. Wie ein früherer Physiotherapeut meinte, am Trainingsanfang brauche der Muskel etwa sechs bis acht Wochen, um überhaupt zu verstehen, was man von ihm wolle. Ich habe eine Trainerin, die mir hilfreiche Impulse gibt. Sie zeigt mir beispielsweise wie ich figurativ Muskelkater von echten Schmerzen unterscheide. Um das zu können, muss ich mein Innenleben wieder beobachten. Der Unterschied zu vorher ist, dass ich dabei nicht allein auf meine eigene Wahrnehmung angewiesen bin, sondern einen korrektiven Blick von aussen bekomme. Ein Faktor ist das Akzeptieren anderer Handlungsoptionen, ein anderer das Loslassen können, ohne völlig zu versinken. Überraschenderweise ist diese Art Training weit weniger anstrengend als alles, was ich sonst an Kraftaufwand im Kampf gegen das Dunkel betrieben habe.

Das mit der Anstrengung muss ich später nochmal aufgreifen, denn manche Angewohnheiten entpuppen sich als Selbstläufer, die gerne mal ihre Daseinsberechtigung durch Vortäuschung falscher Tatsachen aufrecht erhalten. Für heute ist es genug.

3 Gedanken zu „Come Undone“

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