Just a Link I

Heute aus gegebenem Anlass ein Verweis auf einen Artikel über psychische Krankheiten bei Piloten:

[Quote] „Ein Pilot gilt immer als jemand, der alles kann, der in der kritischen Situation perfekt handelt. Aber es gibt auch dort Probleme“, sagt Gerhard Bühringer, klinischer Psychologe an der TU Dresden und Mitbegründer von AntiSkid, einem Hilfsprogramm für psychisch kranke Piloten. Er weiß um die Angst vieler Piloten: „Unter Piloten gibt es eine große Angst, wenn sie etwas zugeben – psychische Probleme etwa –, dann sind sie erstmal nach den rechtlichen Bestimmungen fluguntauglich“, sagt er. „Und viele ausländische Billigfluggesellschaften entlassen die Leute dann einfach.“

Bemerkenswert daran finde ich, dass die Öffentlichkeit bestimmte Menschen nur in ihrer Funktion betrachten und nicht als das was sie sind, nämlich in erster Linie Mensch. In der Luftfahrt gibt es Gesunde und chronisch Kranke, Neurotypische und -diverse, Genderfluide und -binäre, wie in der restlichen Bevölkerung halt auch. Bedenklich wird’s dort, wo sich diese Menschen selbst komplett über ihre Funktion identifizieren. Sobald ihre Funktion nicht mehr ausgeübt werden kann, entstehen Gefühle von Minderwertigkeit, Verlustangst und als Folge die Flucht in Verdrängung. Dann ist weder das Eingestehen von Fehlern noch das Annehmen von Unterstützung möglich. Wer weiß denn schon von den notwendigen Drogentests, die nicht nur Cockpit-, sondern auch Kabinencrew stichprobenartig durchlaufen muss? Wer kennt die seelische Not, wenn durch ständige Abwesenheit Familien und Freundschaften zerbrechen? Wer kann die harte Schule einschätzen, die Flugzeugführende absolvieren und den immerwährenden Druck, durch eine Erkrankung jederzeit alles zu verlieren. Ich erlebe immer mal wieder Piloten, die mehr von sich einfordern als sie tragen können. Ein Kapitän, der pflichtbewusst seinen Dienst antritt und mir später vom Sterben seiner Mutter daheim erzählt. Vor dem Rückflug begibt er sich in ein örtliches Krankenhaus wegen Symptomen, die sehr wahrscheinlich durch Stress ausgelöst wurden. Oder ein Pilot, der eine Stunde lang über den Sorgerechtsstreit um seine Tochter klagt, sich aber selbst nach jedem dritten Satz beteuert, dass er da jetzt nach drei Jahren total drüber stehe.

Die Öffentlichkeit reagierte 2015 mit großer Empörung auf die Erkrankung des oben genannten Co-Piloten. Verständlich, denn alle Schuld auf einen Sündenbock umlenken, entbindet jede Einzelperson von Verantwortung, die sie stets für ihre Handlungen im Hinblick auf die Gemeinschaft hat. Ein echter Fortschritt wäre allerdings, genau diese Verantwortung anzunehmen und mit statt neben unseren Mitmenschen zu existieren. Menschliches einbinden statt ausgliedern, denn dann muss sich niemand mehr vor der eigenen Unzulänglichkeit fürchten.

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