Look At Me Now

Irgendwann habe ich mich gefragt, was ich denn von der Welt noch sehen wollte. Das war zu einer Zeit als die Taliban gerade mit großem Wums mal wieder ein Weltkulturerbe zerstört hatten. Die großen Städte waren durch meine jobbedingten Aufenthalte abgedeckt, das Taj Mahal während eines Delhiumlaufs, Manhattan in kleinen Häppchen – bei jedem Besuch eines – und auch sonst wird mein Bedarf an Beton und der Flucht in nahegelegene Natur bei jedem Aufenthalt bedient. Jetzt ist es aber so, dass die wirklich interessanten Ziele meistens nicht so einfach zu erreichen sind. Den Sonnenaufgang auf dem Fuji hatte ich knapp verpasst als die Umläufe gekürzt wurden und auch sonst ist so ein Arbeitsaufenthalt nicht sonderlich gut mit Besuchen von weit entfernten Zielen zu vereinbaren. Schließlich muss ich für den langen Rückflug auch ausgeruht sein. In Folge führten mich private Reisen mit dem Kleinbus nach Angkor Wat und auf dem Fahrrad in’s japanische Hinterland.

Die Gorillas wollte ich sehen, zu Fuß und ganz nah, doch ist so ein Vorhaben nicht in Eigenregie durchführbar. Folglich war diese Reise terminlich an Angebote von Veranstaltern und meinen vorgegebenen Urlaubsdaten gebunden. Als beides zufällig übereinstimmte, entschied ich sehr spontan. Innerhalb von zwei Wochen beantragte ich ein Visum, kaufte die nötigen Utensilien und flog dazwischen arbeitenderweise noch ein bisschen zwischen den Kontinenten hin und her. Jetzt ist es so, dass ich bereits als Kind das erste Mal in Ostafrika auf Safari war. Später führte mich ein Südafrikabesuch nochmals auf zweitägige Safari in den Krügerpark, weil die Freundin, bei der ich damals übernachtete, das für mich arrangierte als ich ihr zu sehr auf die Nerven ging. Mein Bedarf an großen Tieren – Elefanten, Giraffen und Löwen – war zu diesem Zeitpunkt mehr als gedeckt. Der Aufenthalt bei den Gorillas ist aber nach mehrstündiger Wanderung auf eine Stunde limitiert und niemand fliegt so weit, um dann nur einen Tag im Urwald zu verbringen. Also musste ich acht Tage im Range Rover die sogenannte african massage – Schlaglöcher und kurvige Straßen in Verbindung mit schlechten Stoßdämpfern – ein paar sehr naturnahe Unterkünfte – Nilpferde vor der Türe, Fledermäuse und Eiidechsen an der Decke und Moskitos an der Wandbeleuchtung lauernd – wegen drohender Durchfallerkrankungen eingeschränktes Essen – konkret vier Tage nur Kartoffeln ohne alles – und einige Tierentdeckungsfahrten über mich ergehen lassen, bis ich am letzten Tag endlich den heißersehnten Silberrücken ganz nah sein konnte.

Natürlich war’s dann nicht ganz so schlimm, denn wann begegnet man schon mal im Schein einer funzeligen Taschenlampe einem Nilpferd, das gerade die Blumenbeete abgrast oder beobachtet zwei Leoparden beim Mittagsschlaf auf dem Baum. Ja, das ist ein Privileg. So amüsierte ich mich dann halt auch über den kleinen Jungen, der hinter den Touristen herlief und sie mit dem Handy fotografierte, während die sein Dorf besuchen und alles ablichten, was ihnen vor die Kamera kommt. Wirklich wohl gefühlt habe ich mich bei den Programmpunkten nicht, welche die andersartige Kultur der Einwohner nahebringen sollte. So trug beispielsweise der Trommler in der Tanzaufführung ein amerikanisches Shirt – wahrscheinlich ein Geschenk der Touristen – während die Gruppe überlieferte Tänze mit Gesang darbot. Und das wiederum zeigt, dass jede Ursprünglichkeit gleichzeitig einer unaufhaltsamen Globalisierung unterliegt und ihr Rechnung trägt.

Wie das Erlebnis bei den Gorillas dann war, beschreibe ich im nächsten Anlauf, denn das ist zu groß, um in einen Absatz zu passen. Jedenfalls bin ich wieder daheim und frage mich, was kommt als nächstes? Vielleicht jetzt mal die Alpen oder ganz generell die heimische Natur genießen. Wenn ich ehrlich bin, liebäugle ich aber mit einer Radtour durch Jordanien. Petra, die Felsenstadt soll sehr beeindruckend sein, genau wie das Tote Meer. Und ich habe noch ein paar Urlaubstage dieses Jahr im Frühling und Herbst zu füllen. Putzen kann ich auch dazwischen, das läuft nicht weg. Die Welt hat halt einfach noch so vieles zu bieten. Und wenn ich zurück bin, merke ich immer, dass etwas in mir, mit mir geschehen ist. DAS ist es, was ich nicht missen möchte.

2 Gedanken zu „Look At Me Now“

  1. Das klingt sehr sehr schön, vor allem der letzte Satz.
    Alles andere sind Sehnsuchtsorte, austauschbar bei jeder von uns vemutlich, denn nsere Sehnsüchte sind verschieden – und im Endeffekt, wenn nichts dort mit einer geschieht, aber vollkommen egal.

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